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Ein Algorithmus schützt Fledermäuse

Wie Windräder auf den Fledermauszug reagieren


Die Windkraft ist im Aufwind. Die Notwendigkeit, unseren Energiebedarf so früh wie möglich selbst zu decken, lässt Windparks rascher wachsen wie noch vor Monaten geplant. Dabei spielt die Wirkung der Anlagen auf die Tierwelt eine immer größere Rolle. Fledermäuse fliegen nachts in riesengroßen Schwärmen jedes Jahr von ihren Winterquartieren zu ihren Sommerquartieren. Wie schafft man es, dass sie dabei nicht zwischen die Räder kommen?


Der Große Abendsegler ist die prominenteste Fledermaus, die bei ihrem jährlichen Zug durch Windkraftanlagen gefährdet ist. Mit bis zu 85 Millimetern ist sie die größte heimische Fledermaus. Dennoch hat der Abendsegler nur ein „Fliegengewicht“von rund 40 Gramm. Er fliegt im Vergleich zu anderen Fledermausarten in großen Höhen. Dort ernährt er sich von schwärmenden Insekten, die sich in bis zu 1.000 Meter über dem Boden aufhalten. Ähnlich wie Zugvögel legt er zwischen Sommer- und Winterquartier über 1.500 Kilometer weite Flugstrecken zurück. Während man beidenZugvögeln die meisten Flugrouten recht gut kennt, sind die gewählten Flugrouten des Abendseglers bis heute ein Geheimnis.


Gefährliche Reisen bei Windparks

Bei seinen langen Reisen kann es für den Abendsegler bei der Querung von Windparks gefährlich werden. Die Spitzen der Rotorblätter einer Windkraftanlage drehen sich mit einem Tempo von bis zu 300 Kilometern in der Stunde. Doch nicht nur die direkte Kollision der wendigen Flugkünstler mit dem Windrad ist ein Problem. Hinter den Rotoren schwankt der Luftdruck enorm. „Kommt eine Fledermausnur in die Nähe, können die Schwankungen des Luftdrucks ein Barotrauma bewirken, das heißt, ihre Lungen und andere Organe können tödlich verletzt werden“, beschreibt Mario Wohanka, Windkraftbetreiber in Niederösterreich, die Gefahr für Fledermausschwärme. „Wir wissen zwar noch immer viel zu wenig über die Routen der Abendsegler, aber wir wissen, zu welchen Jahreszeiten und zu welchen Wetterbedingungen sie besonders aktiv sind.“ Um zu diesen Daten zu gelangen, werden auf Masten oder auch auf Gondeln bereits bestehender Anlagen Mikrofone montiert, die die hochfrequenten Rufe der Fledermäuse erkennen, in hörbare Laute umwandeln und aufnehmen. „Batcorder“ heißen diese kleinen Geräte, jeder Windparkbetreiber kennt sie mittlerweile. „Jede Art hat individuelle Rufe, so dass man die meisten von ihnen artspezifisch durch die Aufnahme gut unterscheiden kann“, erklärt Wohanka.


Geheimnis „Abschaltalgorithmus“

Parallel zu diesen dokumentierten Fledermausaktivitäten werden Wetterdaten gesammelt. „Die Ausrüstung dafür hat jedes Windrad standardmäßig dabei. Wir zeichnen laufend Windstärke, Niederschlag und Temperatur auf“, so Wohanka. Die Aktivitäten des Abendseglers werden dann mit den Wetteraktivitäten zusammengeführt. „So lernen wir, zu welchen Regenzeiten, Temperatursituationen und Windstärken keine oder viele Fledermäuse fliegen.“ Anhand der Erkenntnisse wird ein Algorithmus zusammengestellt, der die gezielte Stillsetzungen der Anlage festlegt. Bei Eintreten jener Tageszeiten und Witterungsbedingungen, zu denen viele Fledermausaktivitäten festgestellt worden sind, wird das Windrad vorsorglich abgeschaltet. „Auf diese Weise können 80 bis 90 Prozent aller Kollisionen vermieden werden“, erklärt Wohanka. Der Verlust, der durch das Abschalten entsteht, beträgt ca. 0,5 bis 2 Prozent der üblichen Energieproduktion. Deshalb wird der Abschaltalgorithmus auch im Betrieb evaluiert und angepasst. Denn immer geht es nicht so glatt wie es gehen sollte: Manchmal ist gar keine der vorhergesagten Flugbewegungen vorhanden und dennoch muss abgeschaltet werden, manchmal stimmt der Algorithmus nicht mit der Realität über ein und es kommen Tiere zu Schaden.


Hunde könnten bei Prüfung helfen

Deshalb ist es wichtig, den vereinbarten Algorithmus laufend zu überprüfen, indem am Boden unter den Windrädern nach toten Fledermäusen gesucht wird. Seit einigen Jahren wer- den dafür verstärkt speziell trainierte Hunde eingesetzt. „Im Gegensatz zum Menschen suchen Hunde nicht mit den Augen, sondern mit ihrer hoch- empfindlichen Nase. Je nach Wind können sie tote Fledermäusebereitsaus großer Entfernung wahrnehmen und anzeigen“, erklärt Brigitte Komposch, Fledermausexpertin und Hundebesitzerin. „Auch in dichterem Bewuchs, wo die Suche für den Menschen aussichtlos ist, leisten die Hunde hervorragende Arbeit.“ Die Ausbildung und Zertifizierung erfolgt in Österreich über den Verein Naturschutzhunde. Die Ausbildung dauert je nach Ausbildungsstand des Hundes ungefähr ein Jahr. Die Hündin Joy, ein English SpringerSpaniel, ist fertig ausgebildet und bereits tatkräftig im Einsatz. Alle ein bis zwei Jahre muss sie von Neuem beweisen, dass sie das Zertifikat zurecht besitzt. „Auch wenn es viele Baustellen gibt – Naturschutz und Klimaschutz werden einen gemeinsamen Weg finden, weil es gar nicht anders geht und die Gesellschaft das von allen Beteiligten auch erwartet“, resümiert Mario Wohanka für die Zukunft.


Weitere Infos:

Wenn Sie Ihren Hund zur Naturschutzspürnase ausbilden möchten, finden Sie hier weitere Informationen: https://www.naturschutzhunde.at



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