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Wohin mit den Igeln?

Der Igel hat den Siedlungsraum schon vor langer Zeit für sich erobert und ist als typischer Kulturfolger optimal an das Leben in Wohngebieten angepasst. Die steigende Versiegelung von Grünflächen macht dem Igel aber ordentlich zu schaffen. Rückzugsräume werden immer seltener. Im oberösterreichischen Peuerbach setzen sich zwei Frauen mit Leib und Seele für das einzige heimische Stacheltier ein und päppeln in ihrer privaten Auffangstation geschwächte Igel auf.

Der Fund eines Igelnests im Garten von Regina Schöberl hat vor knapp 20 Jahren nicht nur bei der Entdeckerin, sondern auch ihrer Freundin Silvia Standhartinger die Liebe zu Igeln entfacht. Dass daraus eine langjährige Initiative entsteht, hätten sich die beiden damals nicht gedacht. Wie es am Land aber üblich ist, spricht es sich meist schnell herum, wer bei einem Igelfund die beste Ansprechperson ist. Mittlerweile betreiben beide Frauen eine private Igelauffangstation. Wo früher bei Standhartinger die alte Küche stand, finden jetzt zahlreiche Igel Unterschlupf. Bei Schöberl hingegen dürfen die Igel im ehemaligen Büro und in der Scheune wohnen. Jährlich finden bei ihnen bis zu 40 Igel ein temporäres zu Hause. Im Frühjahr werden sie dann ausgewildert – aber genau hier liegt das Problem: Die Suche nach geeigneten Auswilderungsorten wird zu einer immer größeren Herausforderung.


Urbanes Grün kann was

Siedlungen mit vielfältigen Strukturelementen wie beerentragende Hecken, buntblühende Staudenbeete und Baumalleen, können eine überraschend hohe Biodiversität aufweisen. Viele Arten finden hier einen Ersatz für Lebensräume, die in der Landschaft rar geworden sind. Ein Wildtier wie der Igel fühlt sich in Wohngebieten äußerst wohl, solange er findet, was er braucht: Nahrung, einen geschützten Schlafplatz und einen Ort für die Aufzucht seiner Jungen. Bis vor ein paar Jahren haben viele Hausgärten diese Ansprüche erfüllt. Neben Gemüsebeeten mit Würmern und Engerlingen gab es Asthaufen zum Verstecken, Wiesen, die unregelmäßig gemäht wurden und irgendwo eine wilde Ecke oder einen Komposthaufen. Heutzutage sieht die Situation anders aus. Ein Blick in die unmittelbare Nachbarschaft von Standhartinger und Schöberl macht schnell klar, warum immer mehr Igel bei ihnen landen.


Igelfeindliche Gärten nehmen zu

Die Devise „weniger Natur bedeutet mehr Freizeit“ hat sich bei vielen Hausbesitzern zu einem Trend entwickelt. Hauseinfahrten werden so breit wie möglich asphaltiert, statt Hecken dient ein Zaun mit eingeflochtenen PVC-Streifen als Sichtschutz und ein Rasenroboter mäht rund um die Uhr den ungenutzten Rasen. Damit nicht gejätet werden muss, werden Böschungen großflächig mit scharfkantigem Schotter bedeckt und bereits im Frühherbst werden Laub und Äste, die für einige Tiere als Winterquartier wichtig wären, weggeräumt. Ökologisch gesehen sind solche Gärten wertlos und rauben kleinen Säugetieren wie dem Igel viel Energie auf der Suche nach Alternativen.


Aufpäppeln will gelernt sein

Alle Igel, die bei Schöberl und Standhartinger abgegeben werden, haben Parasiten, die meisten sind abgemagert. Ziel der Auffangstationen ist es, die Igel so lange zu füttern und zu pflegen, bis sie ein Mindestgewicht von 600 Gramm erreicht haben und wieder frei von unbequemen Mitbewohnern sind. „Früher haben wir die Igel auf Verdacht auf die gängigsten Parasiten und Krankheiten behandelt, so wie wir es aus anderen Stationen übermittelt bekommen haben. Wir haben aber gemerkt, dass die Igel mit dieser Herangehensweise nicht immer durchkommen und der Prozess langwierig ist“, erzählt Standhartinger. „Wir haben vor einigen Jahren begonnen, von jedem Igelfindling eine Kotprobe bei einer Tierärztin in Tirol analysieren zu lassen, damit wir genau wissen, was er hat und wie wir ihn bestmöglich behandeln können.“ Dadurch verlaufe der Genesungsprozess viel schneller und besser als zuvor. Stark verletzte Igel, wie zum Beispiel nach Kollisionen mit Rasenrobotern, werden mittlerweile keine mehr aufgenommen. „Die Behandlung ist zu zeitintensiv und das Einschläfern mussten wir nach den schlimmsten Unfällen jedes Mal selbst bezahlen. Das geht sich dann irgendwann nicht mehr aus“, sagt Standhartinger. „Alle anfallenden Kosten zahlen wir aus unserer eigenen Tasche, bis zu 2.000 Euro geben wir jährlich für die Igelpflege aus, aber das ist es uns wert“, sagt Schöberl.


Auswildern, aber wo?

Im Frühling werden alle gesunden Igel, die in den Auffangstationen ihren Winterschlaf abhalten durften, ausgewildert. Welche Orte für die Auswilderung geeignet sind, entscheiden Standhartinger und Schöberl nach vorangegangener Begutachtung. Der Igel braucht nicht viel:

Einen Garten ohne Rasenroboter, genügend Versteckmöglichkeiten und ein paar wilde Ecken. Das Angebot solcher Gärten nimmt stetig ab und es wird immer schwieriger, Plätze für Igel zu finden, wo sie mit gutem Gewissen ausgesetzt werden können.

Die Bedürfnisse des kleinen Stacheltiers stehen bei den zwei Frauen immer im Vordergrund. Schöberl und Standhartinger haben beide einen sehr großen Garten, wo alle Strukturen für Igel vorhanden sind und viele Findlinge mittlerweile ihr zu Hause haben. Sie geben die Suche dennoch nicht auf und versuchen auf die Situation der Igel und wie man sie im eigenen Garten verbessern kann, aufmerksam zu machen.


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